The Purpose  of   HEALING - K.I.S.S.

- as stated 12 years ago - was and is

  to help me and my potential P E E R s 

"to HEAL ourselves into WHOLEness,

and - by extension - all of CREATion!"
Intro to Healing-K.i.s.s. 2001-2013
and Overview of its main libraries


[If you look for a word on this page,
click ctrl/F and put a word in "find"]


I focus my experiencing and awareness on being
"a   pioneer of  Evolution  in  learning  to  feel":
I let my Body vibrate and my Heart 'womb'

pain, shame, fear, boredom, powerlessness,
so feelings can >heal >guide>fulfill
>evolve,
and ~~~ offer ~~~"goldmines"~~~ to us all!!
"I want you to feel everything, every little thing!"

 

 

Back to the Overview of all sculptures in the fourfold library of "InteGRATion into GRATeFULLness"



 

InteGRATion into GRATeFULLness
Close-ups of my Past

 

2007_08_05: Closeup of 1974_06_11-21

See also "Das Herz ist Wach" (2)

Martin Fincke, once my fiancé,
and our Denial-of-Feelings

A Letter of 5 pages, which was never sent

 

1974_06_11

Lieber Martin

angesichts unsres bevorstehenden Wiedersehns bewegen mich soviele Gedanken, Erinnerungen und Probleme, dass ich einfach mal anfangen will, sie niederzuschreiben. Vielleicht kann ich Dir die Seiten rechtzeitig zukommen lassen, dann sparen wir Zeit bei unserm Zusammensein und koennen uns ganz Deinen Gedanken, Erinnerungen und Problemen und dann vielleicht dem gemeinsamen Bau einer neuen Basis fuer unsere Freundschaft widmen. Vielleicht auch werde ich mich schliesslich doch entscheiden, keinerlei Initiative zu ergreifen und weiter warten auf Dich.


Ich kenne dich heute nicht, und du meintest einmal, ich habe Dich nie wirklich gekannt, weil du in meiner Gegenwart stets von mir ueberrumpelt wurdest und mir Deine eigentliche Art nicht zeigen konnest. Wenn das so war und heute so waere, dann muesste ich mich wohl in Acht nehmen und mich vor dir verbergen. Aber je laenger ich mir das ueberlege, umso mehr fuehle ich die Bereitschaft, das Risiko einzugehn. Selbst wenn Du heut "nicht mehr so bist wie frueher', als ich Dich – wie immer Du das ableugnen magst – erkannt habe, dann heisst das nicht, dass Du Dich veraendert hast. Ich glaube nicht an wirkliche Veraenderungen in einem Menschen. Es gibt nur ein Offenbarwerden oder ein Verschwinden von Potentialitaeten. Meine Gefahr mit Menschen war oft, dass ich sie provoziert habe, im Anfang einer Begegnung to live up to their potentiallity, Und hinterher "fielen sie wieder ab", wie das ja ganz natuerlich ist. Ich habe sie darum nicht weniger geliebt, sondern sehe in einem Menschen immer das Bildnes, das der Bildhauer im rohen Ton sieht.

 

So auch bei Dir, - wie immer Du Dich veraendert haben magst, und was ich damit meine, ist – wie immer du zerbrochen sein magst – ich sehe die Scherben, aber ich sehe auch wie sie einmal zusammengehoerten und wie sie deshalb auch wieder zusammengehoeren und ganz werden koennen. Anzeichen des Bruches sah ich schon vor zehn Jahren und erst recht vor fuenf. Und grade diese Tatsache ist es, die mich all die zehn Jahre nicht hat ruhen lassen. Ich wusste, es muss einmal der Tag kommen, an dem wir unserer Freundschaft die Fortsetzung geben koennen, deren sie wuerdig ist. Meine einfache grosse, aber auch aengstliche Hoffnung ist es, dass Du heute die Kraft dazu hast - die Kraft, die Freundschaft mit mir wieder zu wagen.

Ich habe in den zehn Jahren gelernt, dass solche Begegnung in der Tiefe sehr selten geschieht. Sie kann nicht zu einer Ehe fuehren, das war unser Irrtum. Aber auf sie gaenzlich zu versichten, waere, als wuerde einer angesichts eines langen Weges in der Wueste das kleine Baechlein neben dem Weg staendig ignorieren.

 

Die zehn Jahre waren wohl noetig, um die Wunden unsrer Begegnung zu heilen und uns ganz dem Menschen zuzuwenden, mit dem die Ehe gut und notwendig war. Aber ich denke, die Zeit ist gekonmen, dass wir unsrer Ehe keinen Abbruch tun, indem wir Gedanken und auch Gefuehle in eine neue Freundschaft legen. Ich jedenfalls brauche Dich, und ich habe heute wieder das Vertrauen zu mir selbst, dass ich wohl helfen koennte, Deine Scherben wieder zusammenzusetzen.


13.6.74

Ich will aber nicht verheimlichen, dass dies Vertrauen "auf lange Sicht" von grosser Angst und Unsicherheit "auf kurze Sicht" begleitet ist. Ich denke, es ist besser den Stier bei den Hoernern zu packen und daruber zu reden, naemlich ueber meine dich erdrueckende "Vitalitaet.".

 

page 2

Dein unheilsschwangerer Satz in Deinem letzten Brief von dem permanent schlechten Gewissen, das ich Euch verursache – hat mich wieder hart daraufgestossen.

Du musst dazu zunaechst wissen – und ich werde noch oft in diesem Brief darauf zu sprechen kommen – dass von meinem subjektiven Gefuehl her Dein Unterlegenheitskomplex geradezu paradox ist. So paradox wie es waere, wenn die Quelle in Ein-Gedi zu dem kleinen Dschungel vor ihrer Nase sagen wuerde; Du erdrueckst mich! Ist es doch eben diese Quelle, die diesen Dschungel aus der Wueste hervorgezaubert hat. Sicher – das wilde Gewaechs verstellt die Aussicht auf die Quelle und hat in seinem ueppigen Wachstum auch bedrohliche Aspekte, aber doch nicht fuer die Quelle!

Dieses Gleichnis passt ganz und gar auf das Jahr 1959/60, und wenn ich jetzt Deine Briefe wieder lese und sehe, dass der Unheilsfaden fast vom ersten Brief an darin zu finden ist, d.h. also Dir bewusst war, dann kann ich mich nicht einmal beschuldigen, dass ich diesem Faden keine Bedeutung zumass. Vielleicht haette Erich Kuby damals im Frankfurter Park vor unsrer Abreise nach Amerika bzw. Israel etwas veraendern koennen, wenn er nicht so obskure Formeln wie ich sei "zu schwer fuer Dich" gebraucht haette, sondern mir klaren Wein eingeschenkt und mir geraten haette, was ich tun kann oder muss. Ich glaube nicht, dass ich mich selber oder Dich haette veraendern koennen und dass also eine Heirat moeglich gewesen waere. Aber wenn wir uns und vor allem ich mir des Problems, das zwischen uns stand, bewusst gewesen waere, haetten wir vielleicht frueher den Mut zur Trennung gehabt – und daraufhin zu einer Freundschaft auf neuer Ebene – und haetten uns nicht so fuerchterlich gequaelt...

 

Ich ruehre das "wenn und haette" nicht auf, um die Vergangenheit zu beweinen, sondern um "die Moral aus der Geschicht'" fuer die Zukunft zu ziehn. Wie sie, diese Moral, fuer Dich aussieht, ueberlass ich Dir, und Du musst sie mir nicht erzaehlen, wie Du ueberhaupt auf nichts in diesem Brief zu reagieren brauchst. Offenheit, die nicht mit Offenheit beantwortet wird, erzeugt zwar ein Gefuehl der Bloesse und Scham, aber ich will das Dir gegenueber riskieren.

Die Moral sieht also etwa so aus,
wie es Rafaels Vater, Franz Rosenzweig,
einmal im Gleichnis gesagt hat;

"Nur die respektierte Distanz
macht das Ueberspringen des Grabens moeglich.
Wer ihn zu Anfang ausfuellt,
laehmt die Sprungkraefte des Andern."

 

 

21.6.74

Obwohl ich nun weiss, dass ich Dir den Brief nicht geben werde, eben um den Graben nicht wieder zu Anfang auszufuellen, will ich fortfahren, gleichsam mir selbst die Summe meiner "Vergangen- heitsbewaeltigung" mitzuteilen.

Ich habe alle Deine Briefe wiedergelesen und darin auch mich selber wiedererkannt. Hinter all der Strahlenbekleidung, die Du mir umgelegt hast, sehe ich doch das wahre, unerfreuliche Bild. Unerfreulich sage ich nicht mehr wie frueher – in dem Gefuehl der "Suende", und "Schwachheit' und "Schuld". Grade dies damalige mich und alle meine Beziehungen zu Dir und andern Menschen so terrorisierende Gefuehl ist das, was ich auch jetzt noch nicht voellig objektiv betrachten kann. Noch immer kleben mir die alten Traumata an, wenn ich sie nun auch belaecheln kann.
[??????????????????????????????????????????????]



Noch immer reagiere ich in jedes Menschen Gegenwart mit meinem geradezu verabsolutierten "Not-Ok", um mit Thomas Harris' ["I'm OKay, you're OKay"] befreiender neuer Terminologie zu reden. Dass ich mich staendig hueten muss, niemand zu beleidigen, niemand zu aergern, dass ich mich staendig rechtfertige, dass ich selbst, wenn die Schuld an einer kleinen (und um mehr handelt es sich doch selten) Reiberei eindeutig bei dem Andern liegt, als die Schuldige fuehle und instinktiv alles versuche, um ihn zu versoehnen – das alles sind immer noch traumatische Reaktionen und koennen stets nur nachtraeglich von meinem Verstand belacht und verachtet werden..


["belacht und verachtet"? oh weh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!]

Seite 3

Und wenn ich sehe, wie ich grade drauf und dran war – siehe den Brief vom 13.6. – wieder in das alte Fahrwasser der gegenseitigen Analysen und Selbstreflexionen, das uns seinerzeit im Wirbel ertraenkt hat, zu schlittern, dann moechte auch wieder die "alte" Verzweiflung an mir selbst die Oberhand gewinnen.

Hat sich denn nun nichts geaendert? Oh doch, die Freiheit im Gehirn ist doch nicht zu verachten. Freiheit von Not-OK. Freiheit von dem "was andre ueber mich denken und sagen", Freiheit vom Erfolg meines Tuns, Freiheit von der Sucht nach Vollkommenheit, ja Freiheit von dem Krampf, das Leben sinnvoll zu verbringen, also Freiheit vom Leben ueberhaupt, Freiheit fuer den Tod – all diese grosse ueberwaeltiende Freiheit habe ich mir doch erkaempft, und wenn sie auch noch weit davon entfernt ist, meine G e f u e h l e zu leiten, so kann ich doch bei meinem Gehirn, das von dieer Freiheit erfuellt ist, Zuflucht suchen, wenn immer mein Gefuehl wieder versagt hat.

["Mein Gefuehl hat wieder versagt"? Oh weh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!]


Ich glaube auch, dass mich die staendige Uebung - mein Gefuehl meinem Verstand untertan zu machen


[Oh weh, oh weh, oh weh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!]


eines Tages in Freiheit "reagieren" lassen wird, so wie ich in halbjaehriger staendiger Uebung 1960-61 verlernt habe, instinktiv zu beten, wann immer ich in eigner oder fremder Not war. Ich meine nicht, dass ich hierin "vollkommen" werde, - eben die Vollkommenheit ist ja etwas, auf das zu verzichten ich staendig lernen muss. Aber ich glaube, dass ich es in dieser Uebung so weit bringen werde, dass ich eines Tages leben kann. einfach leben, ohne zweimal in der Woche von Neidgefuehlen auf die Toten ueberschwemmt zu werden.

 

Ist es nicht tragikomisch, dass ich, die ich dermassen von Emotionen tyrannisiert worden bin und werde, gleichzeitig so zerstoererisch – mir selbst gegenueber und den andern gegenueber in meinen verstandesmaessigen Reflexionen bin? Du hast mir das vorgeworfen und viele andre auch. Es liegt aber wohl nicht an den Reflexionen an sich. Wenn ich nicht die Faehigkeit haette, meinen Emotionen immer wieder mit meinem Verstand zuleibe zu ruecken, so wuerde ich gewiss nicht mehr am Leben sein. Sondern das Schlimme ist, dass ich laut reflektierte. Dass ich die Andern, die doch unfaehig waren, meine Last zu tragen, an diesem fuerchterlichen Kampf zwischen Gefuehl und Verstand teilzunehmen zwang.

Das war wohl eine Grausamkeit in jedem Fall, aber in deinem Fall, der Du einen aehnlichen Kampf auszufechten hattest und vielleicht hast, fuehrte es zu wahrer Quaelerei. Und wenn Rafael der einzige Mensch ist, der es mit mir aushaelt, dann eben weil er es strikte und oft brutal, "herzlos", ablehnt, an diesem Kampf teilzunehmen.

Dabei weiss ich – und wehe, wenn ich das nicht wuesste – dass er durchaus faehig ist, in meine Tiefen hinabzusteigen, und dass er alles andre als gefuehlsoberflaechlich ist. Seine unermuedliche und niemals durch Launen gestoerte oder unterbrochene Zaertlichkeit und Liebesbekundung ist mir ein steter Beweis seiner Empfindungsfaehigkeit. Aber seine Empfindungen sind ausgeglichen, wie sein ganzes taegliches Leben, und wenn er daran nicht festhielte, sondern glauben wuerde – wie ich es "natuerlich" in seinem Fall mir gegenueber tun wuerde - er muesse meine Kaempfe und Verzweiflungen "verstehen', "achten", "fuehlen" und dann mich "troesten" und mich "herausholen" – dann waere wohl nicht nur unsre Ehe unter dieser Belastung zerbrochen, sondern ich selber wuerde niemals den Weg aus meinen dumpfen, brodelnden Gruften herausfinden.

Natuerlich kann Rafael so nur handeln, weil sein Verstand – nicht sein Gefuehl! – so oberflaechlich gebaut ist. Er hat einen weiten , phantastischen Intellekt, rasche Auffassungsgabe, ausgezeichnetes Gedaechtnis, Faehigkeit zu abstraktem sowohl als zu mathematischem Denken. Aber zwischen dem Reich seines Verstands und dem Reich seines Gefuehls bestehen wenig Beruehrungspunkte.

page4

Er kann im Jahr 100 Buecher lesen und tut das auch, aber kein einziges bringt ihn zum Weinen, zum Sich-Identifizieren oder Sich-Distanzieren, kein einziges veraendert in ihm irgendetwas.

Ich dagegen fasse langsam auf, habe ein miserables Gedaechtnis und bin unfaehig zu abstraktem Denken. Aber was immer ich denke, was immer ich lese – und das ist sehr wenig – vielleicht fuenf Buecher pro Jahr – hat einen unmittelbaren und starken Einfluss auf mein Gefuehl, praegt mich, veraendert mich.

"Weich wie Wachs", sagtest Du immer und meintest, ich muesse jeden Eindruck erst durchsieben, bis ich mir erlaube, ihn mich praegen zu lassen. Das lerne ich langsam, sehr langsam.

Aber ich habe auch gelernt, in dieser "Tiefe" meines Verstands nicht nur einen Fluch zu sehn. Grade diese Art von Verstand ist meine Besonderheit, und also ist grade sie es, mit der ich meine Aufgabe, falls ein Mensch eine Aufgabe hat, erfuellen werde.

Trotzdem ist es ein wahres Wunder, dass ich Rafael zum Mann habe. Einfach ist es nicht – aber was waere bei mir je einfach? Und oft sehne ich mich nach Deiner Tiefe. Aber es waere, wie Du mal richtig schriebst, "Inzucht' gewesen, wenn wir geheiratet haetten, und die Gefahren der Inzucht sind bekannt genug...

 

Ich komme zurueck zu dem Weg zur Freiheit, auf dem ich mich trotz aller Fesseln anachronistischer traumatischer Reaktionen befinde. Einen Beweis sehe ich u.a. darin, dass ich mich so leicht dazu ueberwinden konnte, Dir diesen Brief nicht zu schicken, d.h. die Vergangenheit ruhen zu lassen und auf das Ueber-Uns-Reflektieren endlich und einfuerallemal zu verzichten.

 

Du schriebst in einem Deiner letzten Briefe 1961, naemlich nach unsrer Trennung in Heidelberg, dass wir 'frei und ledig' voneinander siind, was die exklusive Gemeinschaft, naemlich der Ehe, angeht, dass wir aber "fatal aneinandergebunden sind', was die Frontgemeinschaft angeht.

Diese 'Fatalitaet", d.h. Schicksalsnotwendigkeit, empfinde ich heute mehr denn je. Aber ich will mir jetzt nur noch darueber klarwerden, was darauf an konkreter gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem sachlichen Ziel folgt, nicht mehr ueber die Tatsache dieses Aneinandergebundenseins an sich.

Immer habe ich alles zerredet, immer sage ich zuviel ueber "das Persoenliche", dabei habe ih so einen guten Massstab fuer das, was ich sagen darf und das worueber ich schweigen muss; "Wasimmer ich in Rafaels Gegenwart nicht wagen duefte zu sagen, das darf ich auch in seiner Abwesenheit nicht sagen." Ich bin oft froh, wenn ich ohne ihn mit andern rede, aber wie oft habe ich dann bereuen muessen, was ich gesagt habe.

Andererseits habe ich auch unbegruendete Angst und Nervositaet vor ihm – z.B. Dinge aus meinem Alltag zu wiederholen vor andern, die sie noch nicht gehoert haben. Ich meine dann, er waere gelangweilt und wuerde nervoes. Sowohl mein Zuwenigsagen in seiner Gegenwart als mein Zuvielsagen in seiner Abwesenheit sind von Angst und Feigheit gepraegt. Und das ist also das zweite, was ich lernen muss, ausser der Freiheit, die ich oben in ihren wichtigsten Ausdruecken beschrieben habe; Mut! Die ja nur die andre Seite der Freiheit ist.

Mut auch Dir gegenueber! Nun nicht aus lauter Klugheit, den Graben nicht zu Anfang auszufuellen , - dich nicht wieder zu ueberrumpeln, Dich nicht wieder zum Anteilnehmen an meinen Daemonenkaempfen zu zwingen – gar keine Initiative zu ergreifen. Ich darf wohl auch etwas von Dir verlangen, ich meine, die Kraft mich zu ertragen, unter meiner Art, wie sie ist, ja auch unter meinen Unausgegorenheiten und Ungezuegeltheiten zu leiden. Du schriebst einmal, mein "Alptraum", ich wuerde alle Menschen, denen ich begegne, leiden machen, sei die Hauptunwahrheit, die zwischen uns stuende. Der Alptraum ist immer noch in meinem "Gefuehl", s. oben, und immer noch missachte ich all die Beziehungen, in denen ich Reichtum und Freude schenke und beachte nur die Beziehungen, die ich durch Leid, das ich antat, zerstoert habe.


page 5


Aber auch dafuer gilt das von der Uebung gesagte, der Uebung, die Gefuehle dem im Verstand Erkannten untertan zu machen.

[How magnificent,
that this training failed again and again
until I learnt,
that it led me in the wrong direction!]

 

In Freiheit und Mut also werde ich versuchen, die Frontgemeinschaft zu erneuern. Du schriebst einmal, dass es unangaengig sei, die besondere Beziehung zwischen Deutschen und Juden zu leugnen. Und Du deutetest an, dass von Dir selber eines Tages etwas geleistet werden muesse, was Israel zum Segen gereiche.

 

Eben dies meine ich. Du musst mir helfen, mein Volk aus dem Sumpf zu ziehen. Du, dessen Verstand eher an meine Tiefe reicht als der irgendeines andern, der aber andererseits dieselbe Weite und Faehigkeit besitzt wie Rafaels. Du, der Du stets gemeint hast, dass wir unser Leben haben, um es hinzugeben, dass wir eine Aufgabe, eine "Sendung" haben, eine Verantwortung fuer unsere Gemeinschaft – Du bist der, der mir helfen muss, die richtigen Wege fuer mein Tun zu waehlen.

Auch die Tatsache, dass Du "draussen" bist und also objektiv sein kannst, auch die Tatsache, dass Du Mittler sein kannst zwischen Arabern und Juden, das alles macht deutlich, dass nun die Zeit gekommen ist, da Du dem alten Buendnis unsrer Frontgemeinschaft endlich konkretes Leben verschaffst.

Was das fuer Dich selber bedeutet, fuer Deine Aufgabe in Europa, das weiss ich jetzt nicht und will ich auch nicht ueberlegen. Du wirst Dein eignes Inteesse schon selber wissen und ohne dies wirst Du mir ohnehin nicht helfen. Also da bin ich gar nicht unsicher und aengstlich. Wichtig ist allein, dass ich mich wirklich ganz und allein auf unsre S a c h e konzentriere und soweit unsre Personen nicht ausgeschaltet werden, die Spannung unreflektiert und unzerredet erhalte. Grade diese Spannung wird unsrem Kampf um die "Sache" stets den notwendigen impetus, die notwendige "Energie' geben (um bei dem physikalischen Gleichnis der Elektrizitaetserzeugung zu bleiben).

 

Ich darf also fuehlen, aber meine Gefuehle nicht ausdruecken. Ich darf schreiben, aber nicht sachbezogene Briefe nicht abschicken. Ich darf bei Dir sein, aber Dich nicht beruehren, weder koerperlich noch mit der Seele. Nur unser Verstand darf sich vereinen, soweit er parallel ist. Die notwendige Spannung bleibt auch da erhalten – in dem Masse als mein Verstand tiefer reicht als der Deine und der Deine hoeher und weiter reicht als der meine.

Das ist nun nicht "Klugheit' um Deinetwillen, um Dich ' zu erziehen', wie Du mal meintest, nicht 'Abischt', die du merkst und die Dich 'verstimmt'. Es ist mein eigenes Interesse, es ist m e i n e Hoffnung, dass, wenn ich diese Spielregeln einhalte, die fuenfzehn Jahre (genau um diese Zeit bist Du 1959 in die Tuebinger Gruppe der Deutsch-Israelischen Studiengesellschaft gekommen!) nicht umsonst waren, auch nicht die zehn Jahre geradezu absoluter Abstinenz, sondern dass wir jetzt einander als zwei erwachsene Menschen, als zwei reife und freie Frontkameraden begegnen, frei von der Vergangneheit, frei von ungesunder Verklebung ineinander, frei fuer unsre Aufgabe, und dass wir im Kaempfen um diese Aufgabe auch die Fruechte des vergangenen Leidens und Liebens geschenkt bekommen und als Hilfe und Kraft erfahren werden.

Ich hoffe das alles mit all der Kraft zum Hoffen, die mir noch verblieben ist. Ich meine das 'noch' nicht deprimiert, sondern im Gegenteil bin ich in dieser Hoffnung hochgestimmt. Angesichs dem taeglichen und vertrauten Umgang mit dem Tod, und das meint; mit dem Fliehenwollen aus dem ewig schmerzenden Bewusstsein der Unvollkommenheit (meiner eignen und der der welt) und der Sinnlosigkeit (meines eigenen Lebens und dessen der andern ) – ist es wie ein Ueberfluten von Waerme und Licht, wenn ich fuehle, dass ich noch faehig bin, mich zu sehnen und zu hoffen, - nach Rafael und den Kindern, sobald ich nicht bei ihnen bin – und nach der Arbeit mit Dir. Eine frueher geliebte Lehrerin, Frl. Fulda, schrieb mir mal als Trost; "Sehnsucht haelt dich lebendig". Damals haette ich gern verzichtet auf dieses Lebendigsein. Heute bin ich dankbar dafuer.

Rachel.


Ausflug im Taunus, August 1960:
"und haetten uns nicht so fuerchterlich gequaelt"

 


Frankfurt, August 1960

 

 


July 1961: Two scholarship students come back,
Martin Fincke from Ithaca, Cornell University, USA,
Christa Guth from Jerusalem, Hebrew University, Israel,
they dissove their engagement, but they stay friends:
"Frontkameraden",
fighting at the same front for humankind,
or so they yearned for.

 

 

 

 

 

 

 


This photo is even more distressing
than the first one on the top of this column.
While I [left] just came out of
an International Co-Counseling Workshop in North England
and felt totally at peace with myself and everybody else
(for some months...),
Martin's body-language is clear,
as is his facial expression on that first picture , taken in November 1959.

 

I want to express my fathomless GRATe-FULL-ness to you,
Martin Fincke
for the gifts that you have given me
gifts, which helped me to live
gifts, which helped me to love myself at least a little,
gifts, without which I would not have become the human being I am today.
Whenever I sing the Hebrew folksong/dance, which you taught us in July 1959,
I think of you and thank you.
Christa-Rachel Bat-Adam

 

 

 

to former accidental closeup of my Past   to next accidental closeup of my Past